Die VR-Konzerte der Zukunft: Wenn unmögliche Träume (virtuelle) Wirklichkeit werden.

Wie wir mit Virtual Reality die Nostalgie bekämpfen können.

Geschlossene Konzerthallen. Musiker, die in ihren Schlafzimmern vor Webcams performen. Zunehmend verzweifelte Fans. Die Auswirkungen der Pandemie lassen bei vielen Menschen die Sehnsucht nach „richtigen“ Live-Konzerten ins Unermessliche steigen. Können VR-Erfahrungen diese Sehnsucht stillen? Aufzeichnungen in 360° sind hoffentlich nur die Spitze des virtuellen Eisbergs…

NOST

ALGIE

NOSTALGIE – MUSS DAS WIRKLICH SEIN?

Ich betrachte Nostalgie ja nicht unbedingt als etwas Angenehmes. Das mag am Alter liegen. Aber andererseits, wer nicht alt ist – oder zumindest „alt“ – weiß ja gar nicht, was Nostalgie bedeutet, also wird’s wohl schon eher an der Nostalgie selbst liegen, diesem blöden Ding, das einen hinterrücks überfällt, wenn man kurz mal nicht aufpasst, und das in der Lage ist, unachtsame Individuen in eine halb erinnerte, halb erfundene Traumwelt zu entführen, die es angeblich so oder so ähnlich mal gegeben haben mag – ein romantischer Trip, der nicht selten mit einer umfangreichen Weinbegleitung einhergeht und unweigerlich mit einem schlimmen Kater enden muss. Nostalgie ist, zumindest in meinen Augen (und sonst ist ja keiner hier) eine Art Suchtkrankheit. Also therapiewürdig.

DIE SEHNSUCHT NACH „LAUT“ UND „LIVE“

Mittlerweile empfinde ich diese ekligen Gefühle ja schon gegenüber Dingen, die es vor ca. 15 Monaten noch gegeben hat (und bald wieder geben wird, ich weiß eh). Als Nerd mit musikalischer Schlagseite spreche ich natürlich von Live-Konzerterlebnissen. Ich hab es längst satt, meinen musikalischen Helden dabei zuzusehen, wie sie allein in ihren Schlafzimmern vor der Webcam abgehen. Das war kurz lustig, aber jetzt ist es das nicht mehr. Ich will nicht sehen, wie die wohnen, ich will sehen, wie sie auf einer Bühne stehen. Und das aus (höchstens) ein paar Metern physischer Entfernung, und nicht via tausenden Kilometern von Glasfaserkabeln. Und dabei will ich eingeengt werden von möglichst vielen schwitzenden, grölenden, gerne auch betrunkenen Dodel*innen, die das gleiche Bedürfnis teilen. Es darf mir auch jede und jeder ungestraft sein Bier drüber leeren. Wirklich. Bitte. Bald.

Das einzige, bei dem in den vergangenen Monaten so etwas wie Live-Stimmung bei mir aufkam, waren die vielen Pressekonferenzen im Fernsehen, aber da wurden die Headliner von Gig zu Gig unsympathischer. Außerdem dreht sich dort alles ums Schwatzen. Mir steht aber mehr der Sinn nach Schwitzen. Aber ja, ihr habt schon recht: Der junge Mann, der im Fernsehen immer die Rolle des Bundeskanzlers spielt, hat ja unlängst verkündet, dass es sehr bald wieder alle „Dinge, die Spaß machen“ geben wird, und da nehm ich ihn mal beim schönen Wort. Es wird also bald wieder Live-Konzerte geben. So weit, so gut.

WORUM GEHT ES HIER ÜBERHAUPT?

Was hat mein (eh schon reichlich verspätetes, weil mit etwas Glück und Vernunft bald obsoletes) Gesuder mit VR zu tun? Folgendes: Seit Beginn der Pandemie sind einige Projekte entstanden, die versuchen, das Live-Erlebnis ins VR-Headset und dadurch in weiterer Folge ins Hirn der User zu übertragen. In der Regel handelt es sich dabei um Konzert-Mitschnitte, die mit 360° Kameras aufgezeichnet wurden und im Idealfall mit knackigem Echtzeit-Surround Sound aufwarten können. Eh nicht wirklich schlecht. Aber natürlich kein ausreichender Ersatz für echtes Live – aus tausenden naheliegenden Gründen, die fast alle darauf zurückzuführen sind, dass die Technologie noch nicht so weit ist, wie wir das gerne hätten. Mal ganz davon abgesehen, dass eine Aufzeichnung schon mal per definitionem nicht „live“ ist. Aber wie gesagt: Bald werden diese Experimente eh unnötig sein, weil dann können wir wieder Tickets kaufen, damit in eine Halle spazieren und uns dort beschwitzen lassen.

IMPOSSIBLE CONCERTS IN VR

Ein Geschenk haben mir diese unterm Strich enttäuschenden virtuellen Konzert-Ausflüge allerdings beschert, und das ist auch der eigentliche Grund warum ihr diesen Blog hier lesen könnt/müsst/dürft: Mir ist eingefallen, dass es dank VR eines schönen Tages möglich sein wird, Konzerte zu besuchen, die aus jetziger Sicht unmöglich erscheinen. Früher oder später werden wir uns die VR Kontaktlinsen einschieben, auf den Link „Impossible Concerts in VR“ zwinkern – und uns Augenblicke später in einer perfekt gerenderten Konzerthalle wiederfinden, wo wir gemeinsam mit zigtausend anderen Usern perfekt gerenderte und bis ins letzte Detail realistisch animierte Legenden wie David Bowie, Freddie Mercury, Nirvana oder Falco beim Abliefern fantastischer Setlists zuschauen und -hören dürfen. Rechenpower, KI und ultramegaschnelles Internet werden dies möglich machen. Bestimmt. Und hoffentlich bald. Wir brauchen das spätestens dann, wenn der/das nächste gschissene Virus anklopft und die Konzert-Venues dieser Welt erneut zum Schließen zwingt.

VR ALS NOSTALGIE-MEDIKAMENT

Ich freue mich also nicht nur auf den Tag, an dem wir „echte“ und realistische Konzert-Erlebnisse in VR erleben können, ich freue mich darauf, Konzerte erleben zu dürfen, die aus jetziger Sicht (noch) unmöglich erscheinen. Weil dann wäre VR nicht mehr „nur“ eine Empathie-Maschine, sondern auch eine voll funktionstüchtige Nostalgie-Maschine. Oder noch besser: Ein Nostalgie-Medikament. Weil: Warum tut Nostalgie so weh? Weil du im Augenblick des nostalgischen Empfindens glaubst, dass du diese Dinge, die dich im Moment wirklich berühren und dich vollständig abholen würden oder die dich mal berührt haben, nie wieder wirst erleben dürfen. In meinem Fall sind diese Dinge meist Konzerte, die zu lange zurück liegen oder die ich aus unterschiedlichen Gründen (wie bspw. meiner verspäteten Geburt in Kombination mit dem verfrühten Ableben der jeweiligen Künstler) verpasst und de facto nie am eigenen Leib erlebt habe.

VR könnte diese Wunden heilen. Eines Tages.

EINE BITTE

Und das ist jetzt mein großer Wunsch, den ich an die VR und KI Entwickler*innen unseres verseuchten Planeten richte: Wir haben jetzt genug Zombies abgeknallt, Drachen geritten und Escape Rooms gelöst – bitte liefert uns in (nicht allzu ferner) Zukunft vormals unmögliche Konzerte in VR. Bitte bitte. Danke. Das wird super.

In diesem Sinn – Wir sehen uns beim Jimi Hendrix Gig im Jahr 2031. Bis dann.

Schreibt uns gerne, wenn ihr Fragen zu Virtual Reality habt oder ihr ein gemeinsamen Projekt mit uns umsetzen wollt. Wir freuen uns darauf!

BIS

DANN

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Michael Lenzinger

Michael Lenzinger

Schreibt allerhand. Creative Director / Partner bei Junge Römer. Clowngitarrist bei You Should See the Other Guy
Michael Lenzinger

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